Sonntag, 7. Oktober 2012

Nobelpreise: Statistik und Visualisierungen - oder: Wie Deutschland an Relevanz verloren hat

Anlässlich der bevorstehenden Nobelpreisverleihung habe ich mal die bisherigen Preise und Preisträger unter die Daten-Lupe genommen. Dabei wird unter anderem sichtbar, wie die Rolle Deutschlands im Lauf der Jahrzehnte immer marginaler wurde.

Grundlage für die folgenden Darstellungen ist die Datenbank unter nobel-prize-winners.findthedata.org, mit der ich allerdings zunächst einiges anstellen musste, um die gewünschten Daten zu extrahieren. (Die einzelnen Arbeitsschritte plane ich in einem weiteren Post noch darzustellen.)

Zunächst zur Anzahl der Preisträger pro Land seit den Anfängen des Nobelpreises. Dabei ist die Nationalität der Preisträger ausschlaggebend und solche mit doppelter Staatsangehörigkeit werden bei beiden Ländern voll gezählt: Das Schöne durch die direkte Einbettung aus Google Spreadsheets heraus ist, dass die Grafiken automatisch (leicht) interaktiv sind: Fährt man mit dem Mauszeiger über ein Land, erscheinen die relevanten Daten.

Es sticht sofort ins Auge, dass die USA weit vorn liegen. Bis 2011 waren und sind insgesamt 304 Nobelpreisträger Amerikaner. Auf Platz zwei liegt übrigens Deutschland (98), dicht gefolgt vom Vereinigten Königreich (97).

Bricht man die absolute Zahl der Preisträger auf die heutige Bevölkerungsgröße herunter, ergibt sich ein etwas gleichmäßigeres Bild. Die Zahlenwerte stehen hier für die Anzahl der Nobelpreisträger pro eine Million Einwohner: Der absolute Spitzenreiter ist dabei übrigens ein Land, das zu klein ist, um auf der Karte sichtbar zu sein: Saint Lucia, ein Inselstaat in der Karibik, kommt mit seinen zwei Preisträgern auf umgerechnet mehr als elf Nobelpreisträger pro Million Einwohner. Damit liegt es weit vor dem Zweitplatzierten in dieser Disziplin, Schweden mit knapp 3,3 Preisträgern pro Million Einwohner (Deutschland: 1,2).

Verschiebungen im Lauf der Zeit

Interessant ist nicht nur die geografische Verteilung, sondern auch die zeitliche Entwicklung. Fasst man die Zahl der Preisträger jahrzehnteweise zusammen, so ergibt sich für die relevantesten Länder eine interessante Entwicklung:

Hier wird schön sichtbar, wie Deutschland als Wissenschaftsnation im globalen Vergleich seine Spitzenposition im Lauf des 20. Jahrhunderts eingebüßt hat. Dass Nobelpreise dabei natürlich nur einer von vielen Indikatoren sind und man deswegen nicht schwarz malen muss, habe ich in einem Artikel für heute.de analysiert (Deutsche Forschung "spitze in der Breite").

Noch eine Erläuterung zum Diagramm: Wie man an der Gesamthöhe der Säulen sofort sieht, schwankt die Gesamtzahl der Preisträger (bzw. der mit Preisen bedachten Nationen) pro Jahrzehnt deutlich. Das hat eine Reihe von Gründen:
  • Preise können aufgeteilt werden - gerade in Physik oder Chemie gibt es deshalb oft, aber nicht immer, drei Preisträger pro Jahr
  • bedingt durch die Weltkriege wurden Preise teilweise nicht vergeben
  • wie oben erwähnt zählen Preisträger mit doppelter Staatsangehörigkeit hier doppelt, einmal für jedes Land
  • andere Preisträger fallen aus der Darstellung heraus, weil sie sich keinem Land zuordnen lassen (vor allem gilt das für internationale Organisationen, die ja öfter mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet werden)
  • der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften wird erst seit 1969 vergeben.  

Feedback erwünscht

Und schließlich eine Anmerkung in eigener Sache: Dies ist mein erster echter Versuch in Richtung Datenjournalismus, auch wenn ich das Thema seit längerer Zeit interessiert verfolge. Bin deshalb an Feedback aller Art interessiert! Nutzt also gerne die Kommentarfunktion oder mailt mir direkt (Adresse steht auf meiner Homepage).

2 Kommentare:

  1. Interessant zu sehen, wie man mit mehr oder weniger einem Datensatz doch verschiedene Themen herausarbeiten kann.
    Inhaltliche Anmerkung: Interessant wäre neben Nobelpreisträger/ Million Einwohner auch der Vergleich Nobelpreisträger/BIP bzw. Nobelpreisträger / Bildungsausgaben oder noch besser je Abiturient (vergleichbarer Bildungsabschluss)

    Optische Anmerkung: der weiße Hintergrund vor dem Pastell-Hintergrund der Seite ist nicht besonders schön. Irgendeine andere Visualisierungstechnik, bei der das CSS des Grafikhintergrunds an den Seitenhintergrund angepasst werden kann, wäre schöner.
    Außerdem habe ich zumindest einen hässlichen Zeilenumbruch im Tooltip der ersten Karte.
    Ich bin gespannt auf Dein Vorgehen beim Scraping der Daten von FindtheData!

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    1. Danke für die Hinweise! Tatsächlich kämpfe ich etwas mit den Beschränkungen der Visualisierung per Google-Spreadsheets - da sind die Konfigurationsmöglichkeiten bei den Geo-Charts leider ziemlich eingeschränkt. Weshalb sich etwa der Tooltip nicht hübscher gestalten lässt und auch nicht mehrere Themen bzw. Datensätze in eine Karte integriert werden können.

      Eigentlich hätte ich gern eine einzige Karte, in der man zwischen Gesamtzahl der Preise, Zahl/Einwohner, Zahl/BIP etc., möglichst noch nach den verschiedenen Nobelpreis-Disziplinen aufgefächert, umschalten könnte. Momentan wäre aber die einzige Möglichkeit, all diese Karten einzeln zu erzeugen und einzeln untereinander ins Blog einzubinden - das schien mir wenig sinnvoll zu sein.

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